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  © 2024


Sissa Micheli liebt in der Fotografie das Spiel mit Präsenz und Absenz, mit Stofflichkeit und Sinnlichkeit, die Lust am Extravaganten und Surrealen, am Rätselhaften und Humorvollen. Dabei verweist die zu sehende Bildoberfläche oft auf etwas Anderes, dahinter Liegendes, auf eine verborgene Geschichte, die nur erahnt, auf ein Rätsel, das nur bedingt gelüftet werden kann. Neugierig nähert sie sich ihren Untersuchungsfeldern und erschafft einen sinnlichen wie hintergründigen Kosmos, der sich zwischen Realität und Fiktion, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewegt.
Überhaupt ist die Inszenierung ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit Michelis, das bewegte, dynamische Bild ein ständiger Begleiter. Mit fliegenden Kleidungsstücken erschafft sie faszinierende temporäre Skulpturen, die in einem sinnlich dynamischen Spiel das Flüchtige und Vergängliche feiern. In neuen Arbeiten lässt sich Micheli von der ins Unendliche gehenden Falte inspirieren, wie sie der französische Philosoph Gilles Deleuze in seinem Buch "Die Falte: Leibniz und der Barock" (1988) beschreibt.
Gleichzeitig versinnbildlichen Michelis Arbeiten auch das Grundcharakteristikum der Fotografie, einen Augenblick festzuhalten und visuell einzufrieren, der für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar ist, und ihm Bedeutung zu verleihen. Die vor Gesicht und Körper einer Frauengestalt inszenierten Textilen spielen mit dem Gegensatz von Verschleierung und Enthüllung, von Schutz und Schutzlosigkeit und zeigen einen in die Welt geworfenen, verletzlichen Menschen. Micheli begann mit dieser Bilderserie noch vor der Pandemie. Sie sind aktueller denn je.

Günther Oberhollenzer