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24. Oktober 2019 – 05. Jänner 2020
Kuratiert von Sara Salute
In Zusammenarbeit mit Galerie Alessandro Casciaro


Von Marcel Duchamp stammt die "bilderstürmerische" Empfehlung, ein Gemälde von Rembrandt als Bügelbrett zu verwenden. Bekanntlich hat der Schöpfer des Readymade sein 1916 erstmals formuliertes Konzept 1934 um das sogenannte "reziproke Readymade" erweitert. Während im Readymade ein beliebiger Gebrauchsgegenstand allein durch die Wahl des Künstlers in den Rang eines Kunstwerks erhoben wird, läuft es im reziproken Readymade in umgekehrter Richtung: Ein Kunstwerk wird in ein Gebrauchsobjekt zurückverwandelt. So weit geht Sissa Micheli nicht. Sie bleibt innerhalb der Musealität, aber ihre kombinatorisches Verfahren steht in der Tradition von Duchamps Readymade-Konzept.
Der Akt der Wahl, der die Herstellung im handwerklichen Sinn ersetzt, die Zuweisung eines neuen Zwecks und das Überführen der ästhetischen Qualitäten in eine neue visuelle Präsenz stehen konzeptuell im Kontext des reziproken Readymades. In der Ausstellung Museum´s Rhapsody kombiniert die Künstlerin im Sinne von Duchamps "most unexpected contacts" Objekte aus der Sammlung des Palais Mamming mit Pelzstücken und anderen Objekten, um neue diskursive Zusammenhänge und Sichtweisen zu ermöglichen. Ihr Leitmotiv könnte ein Bonmot des Lyrikers Comte de Lautréamont sein, das zum surrealistischen Glaubensbekenntnis wurde: "Schön wie die zufällige Begegnung zwischen einem Regenschirm und einer Nähmaschine auf einem Seziertisch". Den von den Faschisten abgeschlagenen Kopf von Kaiserin Sissi kombiniert sie mit Quarzsteinen, die wie steinerne Tränen (Tears of the Past) ausschauen. Einen Totenkopf aus Marmor (King of Pins) krönt sie mit einem prunkvollen historischen Haarkamm, der Frucht-Zapfen einer Föhre wird durch die Kombination mit einem Pelzkragen zu einem Igel (Armored Procupine), drei hölzerne Mikroskope (The Factory) ordnet sie zu Fabrikstürmen, über denen eine dunkle Pelzwolke dräut, aus einem Pelzkragen ragt eine Ruinenstadt aus Mineralgestein (City in Furs) heraus. Das Harte trifft auf das Weiche, das Mineralische auf die Tierwelt, und man geht nicht fehl, darin einen Reflex von Meret Oppenheims legendärer surrealistischer Pelztasse zu erkennen. Überhaupt sind die Bezüge von Sissa Micheli zu Werken der frühen Moderne und Avantgarde zahlreich. Die Tränen der Sissi lassen an die ikonischen "Glasperlentränen" von Man Ray denken, City in Furs könnte auf den Song "Venus in Furs" der US-Rockband The Velvet Underground anspielen. Michelis Objektassemblagen sind temporäre Inszenierungen, die als Fotografien fixiert sind. Aus dem Museumsschlaf gerissen, wo sie als passive Zeugen und Beweisstücke ihrer einstigen Funktion fungieren, werden sie für einen fotografischen Augenblick lang reaktiviert, um danach erneut in den musealen Kontext zurückzukehren. Die Fotografien dokumentieren und speichern Michelis Museum auf Zeit. Begreift man eine Fotografie als Gedächtnis, kommt auch noch das Großthema Erinnerung ins Spiel. Um ihre kombinatorische Praxis zu beschreiben, verwendet Micheli den von T. S. Eliot geprägten literarischen Begriff des "objektiven Korrelats". Für welche Emotionen sucht die Künstlerin Korrelate in Gegenständen, Situationen oder Ereignissen? Der Titel der Ausstellung, Museum´s Rhapsody. A Microcosmos of Collection Objects, deutet auf ein musikalisches Denken hin. Die Künstlerin als Kuratorin betätigt sich als Dirigentin oder Komponistin eines Orchesters von Objekten, auf dass diese ihre "ursprüngliche", wissenschaftlich klassifizierte Bedeutung einen Moment lang preisgeben und in einem sinnesfreudigeres Sammelprinzip existieren. Damit stellt sie sich in die Tradition der Museums- und Institutionskritik, die seit den Futuristen die Institution Museum mehr oder weniger revolutionär zur Disposition stellte. Der Protest der futuristischen Avantgarde richtete sich gegen die Institution Museum als solcher und scheiterte an der Abhängigkeit von genau der Institution, auf die sich ihre Kritik richtete.
Die Künstlermuseen von Daniel Spoerri und Claes Oldenburg hingegen machten sich die Seriosität des Museums zu eigen, um das exklusive Recht der Kuratoren, die Kunstgegenstände auszuwählen, zu sammeln und zu präsentieren, zu unterlaufen. Sie waren ein Versuch, die Ordnung der Dinge neu zu denken: Nicht hierarchisch, ohne Prioritäten, ironisch gegenüber den Ansprüchen der katalogisierenden Wissenschaft und mit viel surrealistischer Kombinatorik begabt. Sissa Michelis musikalisch grundierte Bedeutungsmetamorphosen stehen in dieser genealogischen Linie. Ihre Objekte beleben im Kleinformat das Prinzip der historischen Kunst- und Wunderkammern wieder, die die Welt einst in einer überbordenden Mixtur aus Kunst, Handwerk und Natur, Folklore und Technik, Rarem, Kostbarem und Kuriosem einfingen. Mit der Aufklärung gerieten die Wunderkammern außer Mode und wurden von den Museen als überholt und unwissenschaftlich verbannt. Dinge miteinander zu verkuppeln, die vordergründig jeder Logik widersprechen, bringt hintergründig Wunder ans Licht.
— Heinrich Schwazer

MUSEUMS´S RHAPSODY 
A MICROCOSMOS OF COLLECTION OBJECTS, 24. Oktober 2019 – 05. Jänner 2020, Kuratiert von Sara SaluteMUSEUMS´S RHAPSODY
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24. Oktober 2019 – 05. Jänner 2020
Kuratiert von Sara Salute
In Zusammenarbeit mit Galerie Alessandro Casciaro
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